Die Diözese war damals in keinem guten Zustand, war immer wieder in die Konflikte zwischen Kaiser und Papst hinein gezogen worden und deshalb zeitweilig ohne geistliche Leitung. Dadurch waren die Seelsorge und auch die Ausbildung des Klerus vernachlässigt worden.
Hartmann verzichtete darauf, sich mit dem Domkapitel auf einen Machtkampf einzulassen, insbesondere was die Einführung der Augustinusregel betraf, die von den Kanonikern vehement abgelehnt wurde. Stattdessen entschloss er sich zur Gründung eines Klosters nördlich von Brixen an der Straße ins Pustertal, das seine Intentionen zur Reform der Diözese unterstützen sollte. Für diesen Bau fand Hartmann in Reginbert von Säben einen mächtigen Förderer und Unterstützer. Reginbert stiftete neben dem eigentlichen Bauplatz noch mehrere Güter und Grundstücke in der Umgebung. Neustift war damals übrigens das einzige Augustiner-Chorherrnstift in ganz Tirol.
Das aufstrebende Kloster erlebte bald eine erstaunliche Blütezeit. Die Schreibstube und die Bibliothek waren berühmt, auch die Qualität des Chorgesanges wird in zeitgenössischen Schriften hervorgehoben. Viele berühmte Maler und Künstler arbeiteten für das Kloster, die prächtigen Altäre und Gemälde in der Pinakothek – u.a. von Michael und Friedrich Pacher und Marx Reichlich – bezeugen dies eindrucksvoll.
Im Barock erfolgte in mehreren Etappen ein umfangreicher Um- und Ausbau des Stiftes, so dass Neustift heute eine der größten Klosteranlagen in ganz Tirol ist. Die romanische Stiftskirche wurde um 1740 hell und prunkvoll barockisiert. Bereits zuvor waren Klausurbereich und Gärten ausgebaut worden, In den 1770er-Jahren folgte schließlich die Erneuerung des Bibliothekstraktes mit dem wunderbaren großen Bibliothekssaal im Rokokostil. Er beherbergt eine einzigartige Sammlung wertvoller Handschriften und Codices. Weitere Sehenswürdigkeiten sind der gotische Kreuzgang mit seinen farbenprächtigen und ausdrucksstarken Fresken, der Brunnen im Innenhof, auf dem die sieben Weltwunder dargestellt sind, und die Engelsburg, im Mittelalter Teil des Hospizes und Verteidigungsanlage, später auch als Kerker in Verwendung, heute stimmungsvoller Veranstaltungsraum für zahlreiche Ausstellungen.
Einen Besuch wert ist auf jeden Fall auch der Weinkeller des Stiftes, denn die Chorherren pflegen in der klimatisch begünstigten Region des Eisacktales einige Weingärten und keltern hervorragende Weine!