Dabei handelt es sich um eine lebensgroße Strohpuppe, die zum Kirchweihfest am Dorfplatz aufgestellt wird. Die Puppe ist in der Tracht des Ortes gekleidet und hängt an der Spitze eines langen Fichtenstammes. Das Kirchweihfest wird im Pustertal sehr ausgiebig – oft mehrere Tage lang – gefeiert. Der Brauch des Kirchtagsmichls – auch „Kirschtamichl“ oder „Kirchtamichl“ genannt – erinnert an das Maibaum-Aufstellen und hat seine Wurzeln ebenso wie dieser in uralten Fruchtbarkeitsriten. Vermutlich der Brauch aus Bayern, wobei er dort im Rahmen des Erntedankfestes im Herbst praktiziert wurde.
Wie beim Maibaum, so gab es auch beim Kirchtagsmichls die weit verbreitete Tradition, dass die Nachbardörfer versuchten, ihn zu stehlen. Ein Dorf, dem der Michl gestohlen wurde, war Spott und Hohn preisgegeben. Aus diesem Grund wurde stets eine eigene Wache zum Schutz des Kirchtagsmichels aufgestellt. Diese Aufpasser durften den Michl keine Sekunde aus den Augen lassen; aber sie waren natürlich nie alleine, Freunde, Verwandte, ja das halbe Dorf kam vorbei und brachte Speis und Trank zur Stärkung und auch das eine oder andere Stamperl Schnaps.
Obwohl das Stehlen des Kirchtagsmichls heutzutage kaum mehr praktiziert wird, wird dennoch nach wie vor eine Wache aufgestellt, denn man kann ja nie wissen… Der Kirchtagsmichl hat heute aber vor allem symbolische Bedeutung, nicht mehr die Rivalität der Nachbardörfer steht im Mittelpunkt, sondern das Fest selbst mit den zahllosen Südtiroler Spezialitäten und Köstlichkeiten sowie mit den groß aufspielenden Musikkapellen. Nach dem Kirchweihfest wird der Michl noch am Sonntag oder am Montag niedergebracht und oftmals öffentlich versteigert, wobei der Erlös gemeinnützigen Zwecken und den „Aufpassern“ zugute kommt.