Die Schützen gehören zu Tirol wie der Papst zu Rom und sind Symbol für die sprichwörtliche Wehrhaftigkeit der Tiroler.
Was heute oft wie harmloser folkloristischer Aufputz für Volksfeste wirkt, hat allerdings einen durchaus ernsthaften historischen Hintergrund. Die Grundlage für das Tiroler Schützenwesen bildet das Landlibell aus dem Jahre 1511. In diese Urkunde legte Kaiser Maximilian I. im Einvernehmen mit den Tiroler Landständen fest, wie im Kriegsfall die Landesverteidigung zu organisieren war. Tirol hatte auf Grund seiner geografischen Lage seit jeher große strategische Bedeutung. Für die Habsburger war die Kontrolle der Alpenpässe und damit der direkten Routen von Deutschland nach Italien von enormer Wichtigkeit. Dazu kamen noch die reichen Bodenschätze, v.a. Kupfer und Silber, die in Tirol abgebaut wurden. Unter Maximilian I. wurde Tirol durch die Produktion von Kanonen und Mörsern auch zum Zentrum der Rüstungsindustrie. Das Landlibell war Resultat dieser großen Bedeutung, die Tirol für die Habsburger hatte.
Für Tirol bedeutete dieses Gesetz einerseits ein Privileg, weil es die Tiroler der Pflicht enthob, außerhalb ihrer Landesgrenzen Kriegsdienst für den Kaiser zu leisten. Andererseits verpflichtete es sie, selbst für die Landesverteidigung Sorge zu tragen. Das Landlibell wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den jeweiligen Erfordernissen angepasst. Ab dem 18. Jahrhundert gab es die Unterteilung in Stand- bzw. Scharfschützen und dem Landsturm, einer Art Miliztruppe aller wehrfähigen Männer vom 18. bis zum 60. Lebensjahr, die mit Spießen, Sensen, Beilen und Morgensternen bewaffnet war.
Besondere Bedeutung erhielten das Landlibell und damit die Schützen im Jahre 1703, als die Bayern im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges in Tirol einfielen, sowie während der Napoleonischen Kriege 1796/97 und im Tiroler Freiheitskampf von 1809. Der damals zunächst siegreiche Aufstand der Tiroler gegen die übermächtigen Franzosen und Bayern begründete in ganz Europa den Mythos vom unbeugsamen und wehrhaften Bergvolk.
Nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 kam dem Schützenwesen keine militärische Bedeutung mehr zu. In Österreich blieben die Tiroler Schützen als nichtstaatliche Vereine weiter bestehen, erst der Nationalsozialismus brachte ein Verbot der Schützenvereine. Im faschistischen Italien waren die Schützenkompanien seit 1922 verboten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten die Tiroler Schützenvereine wieder auf, in Südtirol kam es aber im Zuge der Auseinandersetzungen um die Autonomie zu erneuten Verboten. Erst mit Abschluss des Autonomiestatuts konnte der Südtiroler Schützenbund seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Seit 1995 gibt es den Gesamttiroler Schützenbund der Europaregion Tirol, der sich aus dem Nord-, dem Süd- und dem Welschtiroler Schützenbund zusammensetzt.
Die Schützenkompanien sind heute v.a. von sozialer Bedeutung sehen sich der Traditionspflege verpflichtet. Durch ihre tiefe Verwurzelung in der Gesellschaft tragen sie nach wie vor wesentlich zur Identität der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino bei.